Das Mietrecht ist eines der in der Praxis wichtigsten und umstrittensten Rechtsgebiete. Für Mieter und Vermieter sind Streitigkeiten um und über die Mietsache oft sehr belastend, da für den Mieter der Ort seines häufigen Aufenthaltes - privat oder beruflich - für den Vermieter seine Kapitalanlage und sein Eigentum betroffen ist. Hinzu kommt eine Vielzahl an unübersichtlicher Rechtsprechung. Aufgrund diverser strenger Fristen und oft akuten Problemen, sollte frühzeitig ein Rechtsbeistand aufgesucht werden.
Mieter muss Auszug seines Mietmieters nicht einfach hinnehmen - Anspruch des verbliebenen Mieters auf Ausgleich
OLG Schleswig, Urteil vom 19.06.1998 - 14 U 108/97; LG Gießen, Urteil vom 06.03.1996, 1 S 487/95
Zwei Mieter - beide Mitglieder einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft - hatten einen gemeinschaftlichen Mietvertrag unterzeichnet. Aus diesem sind beide dem Vermieter gegenüber berechtigt und verpflichtet.
Nach dem Scheitern der Lebensgemeinschaft - die als Gesellschaft Bürgerlichen Rechts den §§ 705 ff. BGB unterfällt - wollte ein Mieter ausziehen, der andere in der vormals gemeinsamen Wohnung verbleiben. Die Kündigung kann nur von beiden erklärt werden. Der Vermieter bezog seine Miete nunmehr vom verbleibenden Mieter alleine. Dieser hat einen Ausgleichsanspruch auf die Hälfte Miete nach den Grundsätzen des Gesamtschuldnerausgleichs, §§ 426 BGB.
Das Oberlandesgericht stellt in dem Urteil klar, dass der verbleibende Mieter hieraus einen Anspruch auf - immerhin aber auch höchstens - 6 Monatsmieten gegen denausgezogenen Mieter hat. Während zwar der verbleibende Partner der nichtehelichen Lebensgemeinschaft die Wohnung weiter alleine nutzen will, hat der ausziehende Partner ein Interesse daran, aus dem Mietvertrag entlassen zu werden.
Das Gericht stellt dazu fest, dass es für den verbleibenden Ehegatten eine unbillige Härte darstellen würde, unvorbereitet für die Miete alleine aufkommen zu müssen, wenngleich der Plan eine Teilung der Kosten vorsah. Dementsprechend ist es aber auch unbillig, den ausziehenden durch Verweigerung der Zustimmung zum Auszug oder einer gemeinsamen Kündigung überlang zu binden. Daher sei der Ausgleich bei sechs Monaten zu finden. Die Begrenzung sieht das Gericht darin, dass bei überlanger Bindung an den Mietvertrag die hälftige Zahlung einer Unterhaltsleistung gleichkäme, die der nichtehelichen Lebensgemeinschaft wesensfremd ist.
Das LG Gießen schränkt den Zeitraum - m.E. interessengerecht - auf die Zeit der Kündigungsfrist ein. Der verbleibende Mieter hat demnach einen Anspruch auf Ausgleich, beschränkt auf den nächstmöglichen Kündigungszeitpunkt - entsprechend muss der verbleibende Mieter zu diesem Zeitpunkt den ausziehenden Mieter dem Vermieter gegenüber freistellen und an der Entlassung des ausziehenden Mieters mitwirken (BGH, Urteil vom 16.03.2005, VIII ZR 14/04).
Diese Urteile und alle darauffolgenden versuchen einen angemessenen Interessenausgleich zu finden. Hier endet der Grundsatz "pacte sunt servanda", da er eine unbillige Härte bedeuten würde. Prozessual sind die Ansprüche wohl Zug-um-Zug gegen Freistellung gegenüber dem Vermieter durchzusetzen.
Zum OLG Schleswig Zum BGH-Urteil
Mieter muss Überprüfung der Rauchmelder dulden
AG Frankfurt/Main, Urteil vom 30.08.2017 - 33 C 1093/17
Wenn eine Wohnungseigentümergemeinschaft einen Techniker zur Überprüfung der ordnungsgemäßen Funktion der Rauchmelder in seiner Wohnung beauftragt, muss der Mieter dies dulden. Das Gericht sieht die Duldung als Nebenpflicht aus dem Mietvertrag an. Danach ist die Duldung derartiger Überprüfungen zwischen 8 und 18 Uhr zulässig. Außerdem muss eine schriftliche Ankündigung mindestens zwei Wochen zuvor mitgeteilt oder ausgehängt werden. Bei einer Weigerung drohen dem Mieter Ordnungsgeld oder - haft.
Ein konsequentes Urteil, das die Pflicht zur Installation von Rauchwarnmeldern im Mietverhältnis umsetzt. Das Urteil lässt sich auf den Fall übertragen, dass der Vermieter den Techniker bestellt.
Zum AG Frankfurt Zur Zusammenfassung
Silberfischchen in gebrauchter Wohnung sind nach dem OLG Hamm kein Sachmangel
OLG Hamm, Urteil vom 12.06.2017 - 22 U 64/16
Das Oberlandesgericht verwehrte der Käuferin einer Eigentumswohnung den Rücktritt wegen Mangelhaftigkeit der Kaufsache, da die Wohnung massiv mit Silberfischchen bevölkert war.
Im Einzelnen war der Umfang des Insektenbefalls streitig. Zentral sind aber die allgemeinen Ausführungen des Gerichts zur Frage der Mangelhaftigkeit bei einem solchen Befall. Das Gericht knüpft eng an den Gesetzeswortlaut des § 434 BGB an und sieht einen Mangel erst dann als gegeben an, wenn der Befall so stark ist, dass sich die Wohnung deswegen nicht mehr zum Wohnen eigne oder eine für Wohnungen unübliche Beschaffenheit aufweise. Der Erwerber einer 19 Jahre alten Wohnung könne demnach nicht erwarten, dass sie völlig frei von Silberfischchen sei. Zudem gehe von dieser Art von Insekten keine Gesundheitsgefahr aus. Eine völlige Insektenfreiheit könne daher nicht als übliche Beschaffenheit erachtet werden. Wichtig ist, dass die Wohnung bei Übergabe nicht vollkommen insektenfrei war.
Ein für Mieter eher unbefriedigendes Urteil, wobei auch hier der Einzelfall entscheidend ist. Zentrale Bedeutung kommt demnach einmal mehr die Übergabe und mit ihr das Protokoll zu. Hierauf sollten Mieter ein besonderes Augenmerk legen.
Einwurf der Nebenkostenabrechnung bis 18 Uhr an Silvester ist fristwahrend i.S.d. § 566 Abs. 3 Satz 2 BGB
LG Hamburg, Urteil vom 02.05.2017 - 316 S 77/16
Die Nebenkostenabrechnung ist im Wohnraummietrecht spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Ende des Abrechnungszeitraumes mitzuteilen. Das Landgericht hat in der Berufung entscheiden, dass der Einwurf um 17:34 Uhr fristwahrend sei, da auch am Silvestertag (31.12.) bis 18 Uhr mit dem Zugang von Dokumenten zu rechnen sei. Zum einen erfolgen Postzustellungen nicht mehr nur in den Morgenstunden, zudem sei der 31.12. (im Gegensatz zum 01.01.) kein Feiertag im Sinne des Feiertagsgesetzes (FTG). Daher sei es dem Mieter zumutbar, auch gegen 18 Uhr des letzten Fristtages den Briefkasten zu kontrollieren.
Eine besonders für Vermieter wichtige Entscheidung. Sie kann auf alle Willenserklärungen und zuzugehendes Dokumente im Wohnraummietrecht übertragen werden. Insbesondere auf Kündigungen. Umgekehrt gilt dies auch für Mieter: Eine Kündigung oder eine Mängelanzeige muss dem Vermieter rechtzeitig zugehen.
Vermieter trifft in Schadensersatzprozess wegen vorgetäuschtem Eigenbedarf eine "besondere" sekundäre Beweislast
BGH, Urteil vom 29.03.2017 - VIII ZR 44/16
Im Fall hat der Vermieter dem Mieter wegen Eigenbedarfs gekündigt. Der Mieter ist ausgezogen, hat aber in Erfahrung gebracht, dass der Vermieter den Eigenbedarf nicht realisiert, also lediglich vorgetäuscht hat. Tatsächlich wurde die Wohnung an Dritte vermietet. Der Mieter verlangt die Umzugskosten und die Mehrkosten durch die neue Wohnung.
Der Bundesgerichtshof entschied, dass den Vermieter die sekundäre Beweislast treffe. Das bedeutet, der Vermieter muss, wenn er den Eigenbedarf behauptet, dann aber nicht realisiert nachweisen, dass der Bedarf nachträglich entfallen ist. Dies muss er substantiiert und plausibel darlegen. Kann er dies nicht, ist die Pflichtverletzung (hier: Vortäuschung des Eigenbedarfs) unstreitig und der Mieter zum Schadensersatz berechtigt.
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